In den letzten Jahren
übten sich MILITIA in Zurückhaltung. Die 2005 veröffentlichte CD
"Everything Is One" sollte eine Art Abschluss der Statement-Trilogie
darstellen und wirkte im Vergleich zu einigen der vorhergehenden
Tonträger geradezu hoffnungsvoll und hell. Vorausgegangen war 2003 das
offizielle Mission-Statement "Eco-Anarchic Manifesto", welches neben einem
längeren Essay zum Titelthema auch Liveaufnahmen präsentierte. Nach
längerer Sendepause erschienen dann 2010 mehrere Compilations, die den
Boden für die Veröffentlichung des ersten neuen MILITIA-Albums (und
damit den Beginn eines neuen Zyklus) bereiteten. Nun schwimmen MILITIA,
was Interesse und Rezeption angeht obenauf. So widmete sich Herr Mikko Aspa in
der letzten Ausgabe seiner Hauspostille Special Interests persönlich
den Belgiern und hielt gemeinsam mit ihnen gleich mal Rückschau auf das
gesamte Werk der Band. Auch live ist die Gruppe extrem umtriebig und
spielte dieses Jahr im Rahmen des WGT.
"Power, Production,
Propaganda" kommt also wie gerufen. Titel und Artwork des ersten, rein
digital produzierten Albums der Gruppe erinnern an den sozialistischen
Realismus bzw. an die kommunistische Plakatkunst aus der ersten Hälfte des 20.
Jahrhunderts. Der Opener "New Statement" beginnt mit einem für MILITIA
typischen Keyboard-Loop, gefolgt von ebenso MILITIA-typischer
Metallperkussion. Begleitet wird dies von orientalisch wirkenden Samples
und einem Ethno-Gesang, der deutlich auf Kontexte außerhalb des
westeuropäischen geprägten Rahmens von Sozialismus / Kommunismus verweist.
Inhaltlich passt das dennoch hervorragend, orientiert sich doch der
propagierte Öko-Anarchismus auch immer wieder an dem, was im
Wissensjargon westeuropäischer Prägung gern als "primitive Völker"
bezeichnet wurde. Gegen Ende tritt Herr Gorissen persönlich ans Mikro,
um ein paar inhaltliche Schlagworte zum Besten zu geben. Auch Track 2
beginnt mit Ambientflächen, die alsbald perkussiv begleitet werden und
über die sich (offenbar gesampleter) Frauengesang legt. Böse Menschen
könnten hier an Ofra Hazas "Temple Of Love"-Version denken, alle anderen
fühlen sich eventuell an eine weniger komplexe Version von Brian Enos und David Brynes Klassiker "My Life In The Bush Of Ghosts" erinnert. Ja, eigentlich
klingt das genau so, zumindest mehr als nach den alten MILITIA. Auch
nach dieser Nummer geht es mit Ethnogesängen und langen tranceartigen
Perkussionnummern weiter. Zu "The Undeniable Power Of The Proletariat"
hört man wieder indigene Gesänge aus der großen Sammlung der Stimmen der
Welt, es folgen Keyboardflächen und wuchtige Schläge. So gehen in den
besten Momenten des Albums außer-europäische Folklore und das visuelle
wie ideologische Vokabular des Sozialismus eine äußerst spannende
Symbiose ein. Nach einem kurzen Eingangsstatement hört man Gorissens
Stimme erst wieder ab circa der Hälfte der Platte. "The Conquest Of Steel"
bietet monotonen Beat und Metallklänge, Marschfragmente flirren ein und
aus. Erst mit "Abrupt Climate Change" kehrt ein wenig Ruhe und Atmosphäre
ein. Der Song wirkt latent bedrohlich, ist allerdings nichts Besonderes. Der Track "The Final Level" erinnert gegen Ende dann wieder an "
Everything Is One" und lässt das Album ausklingen.
MILITIAs erste
neue Platte nach der längeren Pause mag kein direkter Klassiker wie "The Black Flag Hoisted" sein, aber die inhaltliche (öko-anarchische)
Umarbeitung sozialistisch-kommunistischer Konzepte ist ein ebenso
spannender wie hörenswerter Ansatz. "My life in the bush of socialist
ghosts" könnte man die Platte nennen.
Fazit: Ein eher solides Combeback
mit einer für die Industrialszene herausragenden konzeptionellen Ebene.
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